Diverse Nachrichten in den letzten Wochen vermitteln den Eindruck, als wenn JEDER Bauwerkvertrag ohne Widerrufsbelehrung dazu führt, dass der Auftragnehmer keine Vergütung für seine Leistungen erhält, so angeblich die Entscheidung des EuGH vom 17.05.2023 unter Rs. C-97/22.
Eine Widerrufsbelehrung ist aber nur dann nötig, wenn dem Auftraggeber überhaupt ein Widerrufsrecht zusteht!
Das kann zunächst der Fall sein, wenn es sich um einen Verbraucherbauvertrag handelt, § 650i, § 650l BGB (was nach BGH im Urteil vom 16.03.2023 – VII ZR 94/22 – siehe unseren Blogbeitrag vom 28.04.2023 – nicht für Verträge über ein einzelnes Gewerk gilt). Ein Widerrufsrecht, wie in dem vom EuGH entschiedenen Fall, kann aber auch dann vorliegen, wenn der Auftraggeber Verbraucher ist und der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen (§ 312b BGB) wurde oder es sich um einen Fernabsatzvertrag (§ 312c BGB) handelt. Dazu müssen aber die dortigen Voraussetzungen gegeben sein.
Das erst führt zu einem Widerrufsrecht nach § 312g BGB, § 356 BGB. Die Widerrufsfrist beträgt 2 Wochen und beginnt erst mit ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung, spätestens aber 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, § 356 (3) Satz 2 BGB. § 356 (4) gilt demgegenüber nur für Dienstleistungen, nicht für Werkleistungen.
Vorsorgliche Widerrufsbelehrung wird immer wichtiger
Die Formen der Vertragsanbahnung in heutiger Zeit folgen immer mehr den technischen Möglichkeiten. Dass der Kunde den Handwerker in seinem Geschäft aufsucht und dort den Vertrag schließt, wird zunehmend eher die Ausnahme sein. Das war bisher häufig unproblematisch, weil der Kunde entweder die vereinbarte Vergütung bezahlt (soweit er mit der Leistung zufrieden ist) oder nach herrschender Meinung zumindest verpflichtet war, einen Betrag zu zahlen, um den der Kunde bereichert war (oder nach Vereinbarung der VOB/B eine Vergütung gemäß § 2 (8) Nr. 2, Nr. 3 VOB/B zu zahlen hatte).
Damit hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 17.05.2023 Schluss gemacht. Der Verbraucher wird trotz seiner Bereicherung von jeglicher Zahlungspflicht befreit. Ziel sei ein hohes Verbraucherschutzniveau (Art. 1, Art. 169 AEUV und Art. 38 der Charta der Europäischen Grundrechte).
Praxistipp:
Wem es zu unsicher ist, im Einzelfall festzustellen, ob dem Auftraggeber ein gesetzliches Widerrufsrecht zusteht, sollte vorsorglich – jedenfalls immer dann, wenn der Auftraggeber ein Verbraucher ist, § 13 BGB – den Auftraggeber auf der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung (vgl. Anlagen 1 ff. zu Artikel 246a, § 1 (2) 2.) EGBGB) bestätigen lassen, dass er belehrt wurde. Dabei sollte auch gleich darauf geachtet werden, dass der Auftragnehmer seinen Informationspflichten nach § 312a (2) BGB, Art. 246 und Art. 246 a EGBGB nachkommt.
Stand: 07.07.2023
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Boris Burtin (Fachanwalt Baurecht & Architektenrecht)
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