Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, ist § 4 (7) VOB/B (Mangelbeseitigungspflicht VOR Abnahme) und das daraus folgende Kündigungsrecht nach § 8 (3) Nr. 1 VOB/B unwirksam, weil für den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 I 1.) BGB. Dies hat der BGH im Urteil vom 19.01.2023 – VII ZR 34/20 entschieden.
Wird die VOB/B durch AGB des Verwenders geändert, entfällt die sog. „Privilegierung“ der VOB/B, einzelne Bestimmungen können – da unwirksam – von Gerichten „einkassiert“ werden.
Ändert der Auftraggeber bei Einbeziehung der VOB/B in den Vertrag den Inhalt der VOB/B auch nur unwesentlich, dann fällt die Privilegierung der VOB/B als AGB insgesamt weg (seit BGH vom 16.12.1982, VII ZR 92/82, modifiziert am 22.01.2004, VII ZR 419/02). Einzelne Bestimmungen können dann durch das Gericht als unwirksam gewertet werden, § 307 ff. BGB. Die VOB/B soll ergänzend zum Werkvertragsrecht in §§ 631 ff. BGB ein für Auftragnehmer und Auftraggeber ausgewogenes Regelwerk in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) darstellen. Einzelne Klauseln können – isoliert – unwirksam sein. Gilt die VOB/B aber als Ganzes, gilt die sog. „Privilegierung der VOB/B“ trotz bedenklicher Klauseln. Auch nur geringfügige Änderungen – nicht Ergänzungen! – des Inhaltes der VOB/B durch den Verwender von AGB führen seit 2004 dazu, dass durch die Gerichte verschiedene Bestimmungen in der VOB/B als unwirksam gewertet werden.
Kündigung wegen Nichtbeseitigung eines Mangels VOR Abnahme
Die Mängelbeseitigung gehört eigentlich zu den Pflichten NACH Abnahme (Gewährleistung, §§ 634 ff. BGB). Bis zur Abnahme schuldet der Auftragnehmer die mangelfreie Herstellung. § 4 (7) VOB/B sieht vor, dass der Auftraggeber den Auftragnehmer zur Mangelbeseitigung VOR Abnahme auffordern darf und im nächsten Schritt die Kündigung nach § 8 (3) VOB/B androhen darf. Gegen die Wirksamkeit von § 4 (7) VOB/B gibt es schon lange Bedenken. Der BGH hat nun klargestellt, dass § 4 (7) VOB/B im Sinne von § 307 BGB (auch unter Unternehmern) unangemessen ist, weil nach verwenderfreundlichster Auslegung eine Kündigung auch bei geringfügigen Mängeln möglich ist. Also auch bei Mängeln, die bis 31.12.2017 nach § 640 BGB nicht zur Abnahmeverweigerung berechtigten und auch heute nicht zur Unzumutbarkeit für eine Kündigung nach § 648 a I BGB führen würden. Das schlägt auch auf die Wirksamkeit des Kündigungsrechtes nach § 8 (3) Nr. 1 VOB/B durch, weil unabhängig von der nach § 648 a I BGB nötigen Interessensabwägung eine Kündigung nur aus formalen Gründen möglich ist.
Praxistipp:
Die Entscheidung gilt an sich für die VOB/B 2002 (Vertrag dort aus 2004), die Argumentation spricht aber dafür, dass der BGH auch die aktuelle Regelung des § 4 (7) und § 8 (3) VOB/B im Fokus hatte (VOB/B 2016). Verwendet der Auftraggeber die VOB/B und eigene AGB, muss er künftig – wenn er sich wegen Nichtbeseitigung eines Mangels des Auftragnehmers vom Vertrag lösen möchte – den sicheren Weg über § 314, § 648 a BGB wählen (Abmahnung, Kündigungsandrohung, Abwägung der Interessen, Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages und dann erst Kündigung). Was bedeutet, dass er ggf. warten muss, bis die Pflichtverletzung(en) das Maß der Unzumutbarkeit erreicht hat/haben.
Stand: 05.05.2023
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