Haften Geschäftsführer*innen auf Zahlung des Mindestlohns?

Geschäftsführer*innen einer GmbH haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft ihren Beschäftigten Mindestlohn zahlt. Doch haften Geschäftsführer*innen auch gegenüber den Beschäftigten direkt, wenn diese keinen Mindestlohn erhalten? Dies entscheidet in Kürze das Bundesarbeitsgericht, nachdem zwei Landesarbeitsgerichte hierzu unterschiedlicher Meinung waren. In beiden Fällen hat ein Arbeitnehmer den Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen GmbH in Anspruch genommen, nachdem ihm kein Lohn mehr gezahlt wurde.

Der Geschäftsführer haftet, so das Sächsische LAG

Im ersten Fall hat das Sächsische LAG mit Urteil vom 17.09.2019, 1 Sa 77/19, die Haftung des Geschäftsführers bejaht. § 1 MiLoG sei ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Verletze der Geschäftsführer die Pflicht, den Mindestlohn an den Arbeitnehmer auszuzahlen, so hafte er für die geleisteten Arbeitsstunden in Höhe des derzeit geltenden Mindestlohnsatzes.

Keine Haftung des Geschäftsführers nach dem Thüringer LAG

Anders sieht dies das Thüringer LAG in einem aktuelleren Fall (Urteil vom 09.02.2022, 4 Sa 223/19) und verneint einen Anspruch gegen den Geschäftsführer. Zum einen sei die Zahlung des Mindestlohns eine gesetzliche Pflicht, welche lediglich die Gesellschaft als Arbeitgeberin treffe. Zum anderen hafte der Geschäftsführer auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 MiLoG, denn im vorliegenden Fall sei der Schutzzweck nicht gegeben. Das Mindestlohngesetz soll angemessene Arbeitsbedingungen sicherstellen und schütze deshalb vor der Zahlung unangemessen niedriger Löhne. Es schütze hingegen nicht den Arbeitnehmer vor einem gesamten Lohnausfall. Einen solchen habe der Arbeitnehmer aber gegenüber dem Geschäftsführer geltend gemacht.

Die Nichtzahlung oder nicht rechtzeitige Zahlung von Mindestlohn kann für den Geschäftsführer zwar eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 9 Abs. 1 OWiG  i.V.m. § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG  nach sich ziehen. Hier werde aber nach Ansicht des Thüringer LAG  nur eine Strafbarkeitslücke und keine mögliche Haftungslücke geschlossen. Daher begründet auch die Ordnungswidrigkeit keinen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB.

Das Bundesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Revision des Klägers zurückgewiesen (Aktenzeichen 8 AZR 120/22).

Verfahrensgang:

BAG, Beschluss vom 30.03.2023, Az.: 8 AZR 120/22

LAG Thüringen, Urteil vom 09.02.2022, Az.: 4 SA 223/19

ArbG Gera, Urteil vom 12. Juni 2019, Az.: 1 Ca 66/18

Stand: 11.04.2023

Ansprechpartner:

Ralf Stölzel (Rechtsanwalt, Steuerberater)

Sabine Stölzel (Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht)

Kontaktdaten:

kontakt@stoelzel-gbr.de

+49 (0)351 486 70 70

 

 

Veröffentlicht in Arbeitsrecht, Fach-News, Gesellschaftsrecht, Vergütung.