Nach der Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Köln (Urteil v. 28.02.2024, Az. 18 Ca 4857/23) ist die lediglich anteilige bzw. unterlassene Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie an Teilzeitbeschäftigte und Mitarbeiter*innen in der Freistellungsphase der Altersteilzeit rechtswidrig. Dem/Der betroffenen Arbeitnehmer*in steht ein Auszahlungsanspruch auf die volle Inflationsausgleichsprämie zu.
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer ist seit dem 01.10.1990 beim Arbeitgeber beschäftigt. Seit dem 01.12.2016 besteht ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit einer Arbeitszeit von 50% eines Vollzeitarbeitsverhältnisses. In der dazugehörigen und ausdrücklich einbezogenen Betriebsvereinbarung ist geregelt, dass variable Entgeltbestandteile (z.B. Prämien) während der Freistellungsphase nicht gezahlt werden.
Im Oktober 2022 kündigte der Arbeitgeber seiner Belegschaft eine freiwillige einmalige Sonderzahlung in Form der Inflationsausgleichsprämie an. Ein entsprechender Aushang war nur von aktiven Beschäftigten einsehbar. Darin beschränkte der Arbeitgeber die Auszahlung , indem er unter anderem Mitarbeiter in der Altersteilzeit-Freiphase davon ausnahm. Der klagende Arbeitnehmer hielt die Ausklammerung der Beschäftigten in der Freistellungsphase der Altersteilzeit für unwirksam.
Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
Wie das Arbeitsgericht Köln in seinem Urteil vom 28.02.2024 (Az. 18 Ca 4857/23) feststellte, kann der klagende Arbeitnehmer vom Arbeitgeber gem. § 611a Abs. 2 BGB i.V.m den Regelungen aus dem Arbeitsvertrag die Zahlung der vollen Inflationsausgleichsprämie nebst Zinsen verlangen. Eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern bei Sonderzahlungen sei nur dann möglich, wenn die Kriterien, nach denen ausgezahlt wird, zur Erfüllung des damit verfolgten Zwecks sachlich gerechtfertigt sind. Vorliegend habe der Arbeitgeber nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Beschäftigten in Altersteilzeit genauso von den inflationsbedingten höheren Lebenshaltungskosten betroffen sind, wie die begünstigten Arbeitnehmer. Sachliche Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen, erkannte das Gericht nicht.
Diskriminierung i.S.d. § 7 Abs. 2 AGG
Das Gericht sah in dem vollständigen Ausschluss der Mitarbeiter in der Altersteilzeit-Freistellungsphase eine Diskriminierung i.S.d. § 7 Abs. 2 AGG. Die Beschränkung habe unmittelbar negative Auswirkungen bei älteren Arbeitnehmern und stelle mangels sachlicher Rechtfertigung deshalb eine Altersdiskriminierung dar (§ 3 Abs. 2 AGG). Allein die Vorteile, die ein Arbeitnehmer aus der früheren Beendigung seiner aktiven Beschäftigung zieht, rechtfertige keine Ausnahmeregelung.
Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG
Gleichzeitig sei das geschilderte Verhalten des Arbeitgebers aufgrund des Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG gem. § 134 BGB unwirksam. Dies folgt aus der unterschiedlichen Behandlung von Teilzeitbeschäftigten. Denn – so das erkennende Gericht – es kann bei der Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie nicht davon ausgegangen werden, dass diese ausschließlich ein Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung darstellt. Vielmehr sei mit der Zahlung auch der Sozialzweck (Teuerungsausgleich) verbunden. Wäre mit der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie ein Vergütungszweck verfolgt worden, so wäre auch eine entsprechend der Arbeitszeit anteilige Zahlung möglich gewesen. Dies ist jedoch nicht der Fall, da vorliegend nicht erkennbar war, dass sie insgesamt Entgelt für erbrachte Arbeitsleistung darstelle. Sonach fehle die sachliche Rechtfertigung für eine anteilige Reduzierung des Teuerungsausgleiches, zumal teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer nicht weniger von der Inflation – und damit vom Kaufkraftverlust – betroffen wären als in Vollzeit beschäftigte Mitarbeiter.
Praxistipp:
Arbeitgeber können unter bestimmten Voraussetzungen verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedlich behandeln. Dabei muss die Gruppenbildung gemessen am Zweck der Leistung sachlich gerechtfertigt sein. Bislang waren einige Kommentierungen davon ausgegangen, dass die Inflationsausgleichsprämie bei Teilzeitbeschäftigten entsprechend dem Anteil ihrer Arbeitszeit ausgezahlt werden dürfe.
Wie das Urteil des Arbeitsgerichts Köln jedoch deutlich macht, werden an die Bildung entsprechender Miterbeitergruppen zur Differenzierung von Prämien hohe Anforderungen gestellt. Hier empfiehlt sich daher, Rechtsrat einzuholen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Sonderzahlungen. Verfolgt der Arbeitgeber mit einer Sonderzahlung mehrere Zwecke, so muss die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen mit Blick auf jeden der Zwecke sachlich gerechtfertigt sein. Ferner gilt zu beachten, dass die Zahlung als solche den erforderlichen Inflationsbezug aufweisen muss (§ 3 Nr. 11c EStG), da anderenfalls keine steuer-, respektive sozialversicherungsfreie Auszahlung möglich wäre (ähnlich wie bei der Corona-Prämie nach § 3 Nr. 11a EStG).
Verfahrenshergang:
Arbeitsgericht Köln, Urteil v. 28.02.2024, 18 Ca 4857/23
Berufung ist zugelassen
Stand: 13.05.2024
Ansprechpartner:
Sabine Stölzel (Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht)
Kontaktdaten:
+49 (0)351 486 70 70